
Der richtige Umgang mit Antibiotika ist ein komplexes Thema. Deshalb gibt es ein zentrales Fachteam am KRH. Es arbeitet eng mit den verschiedenen Standorten zusammen. Vorreiter ist das Klinikum Robert Koch Gehrden.
Keime mit Multiresistenzen, belastetes Fleisch aus dem Supermarkt: Immer wieder tauchen Antibiotika in den Schlagzeilen auf. Jedoch werden oft weder differenzierte Informationen geliefert, noch wird die Arbeit in Krankenhäusern realitätsnah geschildert. Dort können Patient*innen nicht nur die bestmögliche Behandlung erwarten, sie sollen sich auch sicher fühlen, was die Medikation angeht. Darum gibt es Antibiotic Stewardship (ABS): Der Fachbegriff bezeichnet laut Robert Koch-Institut den rationalen und verantwortungsvollen Einsatz von Antibiotika.
Am KRH Klinikum Robert Koch in Gehrden kümmert sich eine achtköpfige Gruppe um diese Fragestellung. Sie berät bei konkreten Anfragen, macht eigene Visiten und trägt ihr Know-how in die Breite. Zum ABS-Team gehören neben Dr. Karin Kobusch, Leitende Oberärztin Krankenhaushygiene am KRH, weitere in Gehrden tätige ABS-versierte Mediziner*innen sowie zwei Apothekerinnen. Dr. Kobusch erläutert: „Der normale Arbeitsalltag ist geprägt von sehr vielen Aufgaben, auch von Zeitdruck.
Kolleginnen und Kollegen vertrauen auf ihre Erfahrung, manche ihrer Entscheidungen decken sich aber nicht mit den Leitlinien. Zudem gibt es den Impuls, Antibiotika eher etwas länger als nötig zu verordnen. Diese Arzneimittel werden mit Sicherheit assoziiert.“ Das gelte auch für Laien, die sich bei einer starken Erkältung etwa ein Antibiotikum verschreiben lassen wollen. Und nicht wissen, dass dieses Medikament nur bei bakteriell verursachten Erkrankungen hilft – nicht aber gegen Viren.
Antibiotika: In der Tiermast oft zu finden
Die ABS-Expertin nennt einen weiteren Grund für Resistenzen: In der Tiermast werden massiv Antibiotika eingesetzt. „60 Prozent der Hühnchen im Supermarkt sind mit 3MRGN belastet.“ Das Kürzel steht für multiresistente gramnegative Keime, die gegen drei von vier Hauptantibiotikaklassen resistent sind. Verbraucher*innen, die sich mit einem solchen Keim infizieren, können zum Beispiel Harnwegs- oder Magen-Darm-Infekte erleiden. Wenn aber drei Antibiotikaklassen dagegen nicht mehr wirken, erschwert das die Behandlung. Noch etwas liegt der obersten Krankenhaushygienikerin am Herzen: Bei einer Umfrage hat sich herausgestellt, dass Menschen befürchten, sich bei einem Klinikaufenthalt eine Infektion zuzuziehen. „Das kann zwar vorkommen, aber in 80 Prozent der Fälle bringen Patientinnen und Patienten den Erreger mit. Solange sie gesund waren, spielte das keine Rolle. Aber wenn sie möglicherweise mit Medikamenten behandelt werden, die ihre Immunabwehr herabsetzen, kann der bisher ungefährliche Erreger eine Infektion auslösen“, so Dr. Kobusch. Dass solche Keime weitergegeben werden, müsse unterbunden werden. Sie verweist darauf, dass es Hygieneteams an jedem KRH Standort gebe: Sie checken, ob Hände und Oberflächen vorschriftsmäßig desinfiziert werden – was bei Oberflächen nur funktionieren kann, wenn sie intakt sind.
ABS-Teams beraten bei speziellen Visiten
Ergänzend sind die ABS-Teams tätig. „Aktuell führen wir Visiten in der Gefäßchirurgie und der Geriatrie durch“, berichtet Danynaveena Rajanathan, Apothekerin am Klinikum in Gehrden und Teil des Teams. „Dann besprechen wir Fälle, in denen der Arzt oder die Ärztin noch Diskussionsbedarf hat.“ Sie nennt ein Beispiel: „Bei uns liegt ein Patient mit einem Protheseninfekt, der unter Übelkeit als Nebenwirkung der Antibiotikatherapie leidet. In der ABS-Visite besprechen wir Therapiemöglichkeiten, das könnte der Wechsel auf eine besser verträgliche Darreichungsform sein.“ Martin Sorgatz, Oberarzt in der Anästhesie, ergänzt: „Das geschieht sehr kollegial, Ziel ist es, gemeinsam nach der besten Therapie zu suchen. Wenn wir auseinandergehen, geschieht das mit einem guten Gefühl.“ Er nennt einen weiteren Faktor, der zur Objektivität beiträgt: „Kein Arzt, der zu unserem Team gehört, macht eine ABS-Visite auf der eigenen Station, dies übernehmen Kolleginnen oder Kollegen einer anderen Abteilung.“