
Eine freundliche Atmosphäre: Für Diana Kloppenburg, leitende Oberärztin der Suchtmedizin und Psychotherapie, soll das neue Aufnahmezentrum „ein guter Ort sein, um anzukommen“.
Unkomplizierter Zugang, schnelle Termine: Mit ihrem neuen Aufnahmezentrum will die KRH Psychiatrie Wunstorf ein niedrigschwelliges Angebot machen. Denn nicht jeder Hilfesuchende benötigt einen stationären Aufenthalt.
Das Klinikgelände mit seinen alten Bäumen, der üppigen Bepflanzung und den vorwiegend historischen Gebäuden wirkt nahezu idyllisch. „Bei uns soll sich jeder gut aufgehoben fühlen“, unterstreicht die leitende Oberärztin Diana Kloppenburg. Doch sie weiß um „viele Klischees – dass Erkrankte in der Psychiatrie ihre Selbstbestimmung verlieren, dass sie weggesperrt werden“. Solche holzschnittartigen Vorstellungen kursieren nicht nur bei Gesunden. Sie halten auch Menschen, die in seelischer Not sind, die an Erkrankungen, Störungen oder Süchten leiden, davon ab, sich professionelle Hilfe zu suchen. Darum wird auf dem Gelände der KRH Psychiatrie Wunstorf ein neues Aufnahmezentrum entstehen, das jeden Tag, selbst am Wochenende, von 8 bis 20 Uhr besetzt ist: Nach Kontaktaufnahme über eine zentrale Telefonhotline vergeben geschulte Fachkräfte zeitnah Termine, möglichst innerhalb von zwei Tagen. Das ist eine wichtige Nachricht, auch für zuweisende Ärzte.
„Jeder Kontakt, der zustande kommt, zählt“, sagt Diana Kloppenburg. Und: „Wir wollen erreichbar sein.“ Bisher war es schwieriger, hier sofort passgenaue Hilfe zu bekommen. Wegen chronischer Überbelegung, weil Patienten in akuten Situationen zwar aufgenommen wurden, aber das behandelnde Team erst im zweiten Schritt ermittelte, auf welcher Station der neue Patient am besten aufgehoben ist. Ab Sommer 2022 soll sich dies ändern – und es passt zu der Entwicklung seit zwei Jahren, Notfallversorgung verstärkt ambulant anzubieten. So würde nach einer raschen Terminvergabe ein erstes Gespräch mit einem Therapeuten stattfinden. Und genau diese Person soll dann auch Ansprechpartner bei den folgenden Begegnungen sein. „Nicht jeder Patient muss stationär behandelt werden. Oder wir können durch individuelle Lösungen vermeiden, dass es dazu kommt“, sagt die Oberärztin. Manche Krisen lassen sich ihrer Erfahrung nach beispielsweise durch mehrere Gespräche und die Angebote der Tagesklinik (dann schläft der Patient zu Hause) bewältigen. Auch die Nachsorge nach einem Aufenthalt gelte es zu verbessern. „Wir vernetzen uns mit anderen Einrichtungen und Organisationen.“
Der Bedarf ist groß: Die KRH Psychiatrie Wunstorf hat ein riesiges Einzugsgebiet, in dem 700.000 Menschen leben. Wichtige Schwerpunkte in der Behandlung Erwachsener sind die Allgemeinpsychiatrie für Menschen bis 58 Jahre, die Gerontopsychiatrie für Ältere und die Suchtmedizin. Durch die Corona-Pandemie hat sich für etliche Patienten ihre persönliche Situation verschlechtert, weil zum Beispiel Selbsthilfegruppen monatelang nicht mehr zusammenkamen, weil Angebote in Tagesstätten wegfielen. Neben dem Standort Wunstorf gibt es Außenstellen in Linden, ebenfalls mit angeschlossener Tagesklinik, und Nienburg. Weitere Behandlungsmöglichkeiten gibt es am Standort Langenhagen.
Grundsätzlich setzt die Psychiatrie im KRH auf ein systemisches Konzept: Erkrankungen werden nicht isoliert betrachtet, sondern die Gesamtsituation des Patienten und sein Umfeld werden einbezogen. Unüberwindlich scheinende Behördengänge, Geldnot, auch Maßnahmen etwa zur Wiedereingliederung können stressen oder Probleme bereiten. Bei einer stationären Aufnahme erfolgt immer eine differenzierte Betrachtung: Wer alkoholkrank gewesen ist, aber aktuell unter einer schweren Depression leidet, wird nicht auf derselben Station untergebracht, in der andere Menschen eine Entgiftung erleben.
Das neue Aufnahmezentrum mit seinen geschulten Mitarbeitenden soll laut Diana Kloppenburg „ein guter Ort sein um anzukommen“. Es wird auf 270 Quadratmetern im bisherigen sogenannten Laborgebäude untergebracht. Dort, wo aktuell noch „Röntgen“ ausgeschildert ist, sieht die Bauplanung einen Empfangsbereich vor, dazu wird es eine Reihe von Sprechzimmern für ungestörten Austausch geben. Die leitende Oberärztin: „Wir werden das Gebäude umbauen, die Räumlichkeiten hell und offen gestalten – alles für eine freundliche, einladende Atmosphäre.“ Auch am Standort Langenhagen wird der Aufnahmebereich entsprechend verändert. Vor allem aber wünscht sie sich einen Paradigmenwechsel. Patienten sollen befähigt werden zu sagen: „Ich war in der Psychiatrie. Es hat mir gutgetan.“
Psychiatrie im Wandel: Die Neugestaltung der Aufnahmebereiche und die Belegungssteuerung an den Standorten Wunstorf und Langenhagen sind Teil einer strategischen Weiterentwicklung der psychiatrischen Versorgung in der KRH. Dieser Wandel wird bis zum Jahr 2025 umgesetzt. Weitere Schwerpunkte sind unter anderem die Ausweitung ambulanter Behandlungsangebote, Maßnahmen zur Prävention von Zwang, Umgestaltung der Behandlungssettings und neue spezialisierte Behandlungsangebote etwa für junge Menschen, für traumatisierte Menschen mit Suchtproblemen oder für Erwachsene mit ADHS.