Immer mal wieder Blut beim Toilettengang, und immer wurde es mit dem Rest weggspült, ohne sich groß zu sorgen. Der 48-Jährige dachte an seinen eigenen Vater, der früher unter Hämorrhoiden gelitten hatte. Vielleicht war er selbst ebenfalls betroffen? Seinem Hausarzt erzählte der Mann jedoch nichts davon. Erst als eines Tages der Blutverlust auffällig groß war, ergab eine Koloskopie, dass ein Darmpolyp gewachsen war und sich zu einem Karzinom entwickelt hatte. Fünf Tage später wurde der Patient operiert. Es ist eine durchaus typische Geschichte, so die Erfahrung von Prof. Dr. Frank Grünhage, Chefarzt am KRH Klinikum Siloah. Der Gastroenterologe und Internist wünscht sich ein Umdenken, denn „Männer sind hochgefährdet, weil sie Symptome schönreden oder ignorieren. Sie empfinden oftmals mehr Scham als Frauen.“ Letztere hätten eine andere Herangehensweise. „Frauen gehen schneller zum Arzt, um Beschwerden abklären lassen.“
Nicht nur Blut im Stuhl gilt als Alarmzeichen, auch Leibschmerzen über einen längeren Zeitraum oder „der Wechsel von weichem und festem Stuhl, das kann auf eine Engstelle im Darm hinweisen“, ergänzt Dr. Christoph Grotjahn, Chefarzt am KRH Klinikum Großburgwedel und ebenfalls Facharzt für Gastroenterologie sowie Innere Medizin. Auffälligkeiten ernst nehmen Darmkrebs entsteht aus zunächst gutartigen Schleimhautveränderungen und kann sich so unentdeckt entwickeln. „Manchmal bekommen wir dann Patienten zu sehen, bei denen die Erkrankung schon fortgeschritten ist und sich beispielsweise Metastasen in der Leber gebildet haben“, erklärt Prof. Dr. Frank Grünhage. „Und dann denkt man, das hätte nicht sein müssen.“ Er und sein Kollege Dr. Grotjahn verweisen auf die Einführung der Vorsorgeuntersuchungen vor 20 Jahren und daraus resultierende positive Effekte: Seitdem würden deutlich seltener späte Stadien diagnostiziert. Beide plädieren für einen bewussten Umgang mit dem eigenen Körper: Auffälligkeiten und Veränderungen sollten alle Geschlechter ernst nehmen. Und Prof. Dr. Grünhage warnt vor zu einfachen Wahrheiten.
Zwar gebe es Patientinnen und Patienten mit einer genetischen Disposition, die in bestimmten Fällen zu massenhafter Polypenbildung neigten. Doch die Haltung „Bei uns in der Familie hatte noch niemand Darmkrebs“ dürfte nicht zu dem Trugschluss führen, man sei nicht gefährdet. Andererseits: „Wenn ein direkter Verwandter wie der Vater mit 55 Jahren an Darmkrebs erkrankt ist, dann hat der Sohn bereits mit 45 Jahren ein Anrecht auf eine Koloskopie“, so Dr. Christoph Grotjahn.
Zeige diese ein unauffälliges Ergebnis, bräuchte nicht engmaschig nachkontrolliert zu werden. Als Risikofaktoren gelten Übergewicht, Diabetes, Nikotin, Alkohol, Bewegungsmangel, ballaststoffarme Ernährung und laut Weltgesundheitsorganisation der übermäßige Verzehr von rotem Fleisch – alles Merkmale unseres Lebensstils in der westlichen Welt. Gefährdet sind auch Patientinnen und Patienten, bei denen schon einmal große oder viele Polypen festgestellt wurden. Für sie empfiehlt sich eine Darmspiegelung in kürzeren Abständen. Wer lange schon unter entzündlichen Darmerkrankungen wie Morbus Crohn oder Colitis ulcerosa leidet, wird dem individuellen Risiko entsprechend gegebenenfalls sogar jährlich untersucht. Für alle anderen Versicherten gelte, dass sie zweimal im Leben ein Anrecht auf eine Koloskopie haben, Männer ab einem Alter von 50 Jahren, Frauen ab 55. Genauso existiert das Angebot, alle zwei Jahre ab 50 kostenlos einen Test auf Blut im Stuhl machen zulassen. Dr. Christoph Grotjahn betont: „Diese immunologischen Tests sind hochsensitiv.“ Die Vermutung des eingangs beschriebenen Patienten, dass sichtbares Blut bestimmt einen harmlosen Ursprung habe, stellt übrigens einen Irrtum dar. Weiterhin gibt es keine gesicherten Erkenntnisse, dass Vitamintabletten oder Arzneistoffe wie ASS (etwa Aspirin) die Erkrankung wirkungsvoll abwehren.
Die gute Nachricht lautet: Das bösartige Stadium von Darmkrebs hat eine Vorlaufzeit von zehn bis 15 Jahren. Bis dahin handelt es sich um Polypen oder Krebsvorstufen, die in der Regel bereits während der Darmspiegelung entfernt werden. So kann gar nicht erst ein Karzinom entstehen.