Brustkrebs als Diagnose ist ein Schock. Umso wichtiger, dass sich der Umgang mit der Erkrankung und die Behandlung des Mammakarzinoms verändert haben – eine hoffnungsvolle Nachricht für Betroffene.
Am Klinikum Siloah ist PD Dr. Ursula Hille-Betz die Standortleiterin des Kooperativen zertifizierten KRH Brustzentrums.
Mit dem Mammakarzinom beschäftigt sie sich seit mehr als 25 Jahren. Sie kann sich gut erinnern: „Wenn ich damals zu Gast bei Selbsthilfegruppen war, handelten die Gespräche meist davon, wie betroffene Frauen ihre Therapie bei diesem oder jenem Arzt empfunden haben.“ Mag sein, dass dieses Thema immer noch Gesprächsstoff ist, aber die Fachärztin erlebt in ihrer Arbeit zunehmend selbstbewusste Patientinnen. Diese Haltung möchte sie fördern. Das ist heute besser möglich denn je, die Behandlungsansätze sind vielfältiger, zwischen Diagnose und Therapiebeginn liegt genügend Zeit, um betroffene Frauen ausführlich zu informieren und Lösungen zu erörtern.
Das Brustzentrum am Siloah verfügt über großzügige Räume, die Untersuchungsgeräte sowie sonstige Ausstattung sind sehr modern: Wer hierhin überwiesen wird und eine CD von Voruntersuchungen mitbringt, kann sich darauf verlassen, dass die Bilder am Computer sofort abrufbar sind. „Wir können uns die komplette Bildgebung unmittelbar in der Sprechstunde anschauen.“
Zwei zertifizierte Standorte am Klinikum Region Hannover
Das Kooperative Brustzentrum unter Gesamtleitung von Dr. Alexander Moser ist zertifiziert und verfügt über zwei Standorte, sie befinden sich am KRH Klinikum Siloah und am KRH Klinikum Robert Koch Gehrden. Die behandelnden Ärztinnen und Ärzte beider Häuser operieren jedes Jahr eine hohe Anzahl von Brustkrebspatientinnen. „Wir sehen ein breites Spektrum, das wiederum führt zu ausgeprägter Expertise“, betont Dr. Wolfram Seifert, Chefarzt in Gehrden. Viel Erfahrung bedeutet bessere Ergebnisse. PD Dr. Ursula Hille-Betz verweist darauf, dass dank der Einführung des flächendeckenden Mammografiescreenings „frühere Stadien diagnostiziert werden“. Dadurch hätten sich die Heilungschancen erhöht, Mammakarzinome könnten heute schonender behandelt werden. Der operative Eingriff sei weniger groß, in etwa 70 Prozent der Fälle könne brusterhaltend operiert werden. Mithilfe von Genexpressionstests würden in unklaren Fällen diejenigen Frauen herausgefiltert, die überhaupt von einer Chemotherapie profitieren. Das vergangene Jahr hat, was diese Gensignaturtests angeht, eine Wende gebracht. „Seitdem bezahlen die Krankenkassen dafür“, sagt Dr. Wolfram Seifert. Er erläutert: „Einer Reihe von Betroffenen bleiben dadurch die Nebenwirkungen der aggressiven Systemtherapie erspart.“
Neue Behandlungsansätze
Die Diagnostik wurde insgesamt verfeinert. „In 98 Prozent der Fälle wissen wir vor Therapiebeginn, ob eine Veränderung bösartig ist oder nicht“, betont PD Dr. Hille-Betz. Bei der Operation der Brust hätten sich die Ärzte längst Techniken aus der ästhetisch-plastischen Chirurgie zu eigen gemacht, sie selbst ist spezialisiert auf onkoplastische Techniken. „Rücknahme der Radikalität“ nennt sie es, dass heute nicht mehr alle Lymphknoten der Achselhöhle entfernt würden – das senkt das Risiko eines Lymphödems deutlich. Bei einem bis drei befallenen Lymphknoten ließen sich diese mit einem Clip markieren und nach der Chemotherapie zusammen mit dem Wächterlymphknoten (der erste Lymphknoten im Abflussgebiet eines bösartigen Tumors) entfernen. Zwar müsste nach einer brusterhaltenden Operation immer bestrahlt werden, doch der Zeitraum dafür habe sich, bei gleicher Effektivität der Behandlung, etwa um die Hälfte verkürzt.
Neben den klassischen Behandlungsoptionen, die landläufig bekannt sind – Operation, Bestrahlung, Chemotherapie –, stehen außerdem weitere Ansätze zur Verfügung. Zielgerichtete Therapien basieren auf Substanzen, die gegen Botenstoffe von bösartigen Zellen wirken. Als „echte Bereicherung“ bezeichnet Dr. Wolfram Seifert sogenannte Checkpoint-Inhibitoren: Sie stellen eine neuartige Chance für diejenigen Patientinnen dar, die an einer Form von Brustkrebs leiden, bei der die Tumorzellen keine Rezeptoren für andere verfügbare Medikamente haben. Checkpoint-Inhibitoren aktivieren das körpereigene Immunsystem. Sogar Frauen, bei denen der Brustkrebs bereits fortgeschritten ist und sich Metastasen gebildet haben, „können mitunter jahrelang stabil gehalten werden“, erklärt PD Dr. Ursula Hille-Betz.
Ein zertifiziertes Brustzentrum wie im Siloah und am Klinikum Robert Koch Gehrden verfügt über eine interdisziplinär besetzte Tumorkonferenz, in der sich behandelnde Ärzte anderer KRH Standorte zuschalten können. Die Patientinnen haben eine spezialisierte Breast Care Nurse als Ansprechpartnerin, Unterstützung kommt auch durch Psychoonkologinnen und Sozialberatung. Dieses Konzept ergänzt die Chancen, die sich aus erweiterten Therapieoptionen und neuen Erkenntnissen über die Erkrankung ergeben. Ärztinnen und Ärzte haben es heute mit selbstbewussten Patientinnen zu tun, die sich gegenseitig zur Seite stehen und das Leben feiern. Das beste Beispiel ist der Verein Pinke Zitronen, dessen Mitglieder Drachenboot fahren oder sich auch zu Action-Painting treffen. PD Dr. Hille-Betz: „Der Charakter der Selbsthilfegruppen hat sich komplett verändert.“ Im aktiven Dialog mit Betroffenen erlebt sie, wie selbstbestimmt Frauen mit ihrer Erkrankung und ihrem Körperbild umgehen: „Da gibt es die Patientin mittleren Alters, die bewusst auf den Wiederaufbau ihrer Brust verzichtet. Aber ich kenne auch eine 70-Jährige, die genau darauf und eine Angleichung der anderen Seite großen Wert gelegt hat.“