
Unsere Volontärin Nina hat eine Samstagnachtschicht in der Notaufnahme des KRH Klinikum Siloah begleitet.
Mein Name ist Nina Hoffmann und ich bin seit Januar 2021 Volontärin in der Unternehmenskommunikation des KRH. Von der Arbeit in Zentralen Notaufnahmen hatte ich schon viel gehört. Von der Hektik dort, von ungeduldigen und aggressiven Patient*innen oder gar Gewalt. Umso aufgeregter war ich, als ich erfuhr, dass ich eine ärztliche Samstagnachtschicht in der Notaufnahme des KRH Klinikum Siloah begleiten werde.
Die ärztliche Nachtschicht in der Notfaufnahme des KRH Klinikum Siloah beginnt um 19 Uhr. Im Dienst sind Ärztin Irina von Heimburg, ihr Kollege Dr. Daniel Krieger, die Ärzt*innen von den Stationen und zwei Krankenpflegerinnen. „In der ZNA im Siloah gibt es keine Unfallchirurgie. Zu uns kommen hauptsächlich internistische Notfälle“, erläutert von Heimburg, die seit sieben Jahren in der Notaufnahme arbeitet. Okay, Knochenbrüche und Platzwunden werde ich hier also schon einmal nicht zu Gesicht bekommen. Auch Schlaganfälle werden in anderen Kliniken behandelt. Kollege Krieger ergänzt: „Die häufigsten Fälle sind hier Kreislaufprobleme, Brustschmerzen, Herzinfarkt und Alkoholintoxikationen.“ „O ja, vor allem Letztere!“, stimmt die Ärztin zu. „Seit Ende des Lockdowns sind es wieder mehr geworden. Viele Besorgte, die draußen unterwegs sind und den Notruf wählen, weil sie die Betrunkenen am Straßenrand finden. Das kann dann hier auch schon einmal ziemlich laut werden.“
Noch ist es ziemlich ruhig, ich höre hauptsächlich das unregelmäßige Piepen der Überwachungsmonitore und die leisen Gespräche der anderen. Das Geräusch von schlurfenden Schuhen auf dem Klinikumsboden. Gelegentlich schlägt die Software IVENA Alarm, die ankündigt, wenn mit dem Rettungsdienst ein neuer Notfallpatient eintrifft. Dann wird diese Stille abrupt unterbrochen. „Hallo?“, tönt es lallend am Empfang. Da ist er auch schon: der erste Alkoholfall. Es ist halb acht. Der Mann wurde mit einem Rettungswagen gebracht und trägt eine Plastiktüte mit einer halb vollen Schnapsflasche bei sich, die man ihm sofort abnimmt. Das gefällt ihm gar nicht. Als er in den Untersuchungsraum gebracht wird, fängt er an laut zu protestieren und verlangt nach seiner Tüte. Es wird ein Alkoholtest durchgeführt. Er hat bereits 3,5 Promille im Blut. „Sie sind gerade nicht in der Verfassung, dass wir Sie wegschicken können“, ermahnt Irina von Heimburg. Der Patient fühlt sich provoziert. „Ich gehe jetzt! Gib mir die Tüte!“, schreit er und richtet sich aggressiv auf. Jetzt wird auch die Ärztin etwas lauter: „Sie gehen nirgendwohin! Dies hier ist ein Krankenhaus und da gibt es Regeln. Wenn Sie sich nicht daran halten wollen, müssen wir Sie fixieren.“ „Das ist mir scheißegal, ich gehe!“, ruft der Patient patzig.
Ich merke: Jede Diskussion ist zwecklos. „So ist das halt“, sagt von Heimburg schulterzuckend. „Wir testen jetzt, ob er gang- und standsicher ist. In dem Fall kann er gehen. Aber dann darf er auch nicht wiederkommen. Anschreien lassen wir uns hier nicht.“ Der Patient wankt nach draußen. Ich merke, dass mich die Situation etwas beunruhigt hat und sich mein Puls nun langsam wieder normalisiert. Die Mitarbeiter*innen hingegen wirken unbeeindruckt. Sie sind solche Momente bereits gewohnt. Diese Auseinandersetzung war vermutlich sogar noch eine der harmloseren, denn auch Handgreiflichkeiten sind in der ZNA nicht unüblich.
Eine Patientin wird mit starken Bauchschmerzen oder „unklarem Abdomen“, wie es die Mediziner*innen nennen, ins Isolierzimmer gebracht. Zwischendurch protokollieren von Heimburg und Krieger die Notfälle per Diktiergerät. „Anamnese. Hausarzt: keiner. Allergien: keine.“ „Rezidivierendes Erbrechen. Verdacht auf Gastroenteritis“, also Magen- Darm-Entzündung. „Medikamente: Novalgin, Pantoprazol und Vomex.“ Eine Patientin mit Vergiftungssymptomen wird direkt auf die Intensivstation gebracht, eine weitere mit kardialem Lungenödem – eine durch eine Herzschwäche verursachte Ansammlung von Flüssigkeit in der Lunge – in den Schockraum.
Die Medizinische Fachangestellte Ceren Kaya arbeitet am Empfang und ist das erste Gesicht, das Menschen sehen, die die Notaufnahme aufsuchen. „Klar ist man dann oft die Person, die von den Patienten erst einmal alles abbekommt. Viele sind sehr ungeduldig und emotional“, erzählt sie. „Aber meistens entschuldigen sich die Leute auch direkt wieder. Ich kann sie da ja auch voll verstehen, das hier ist nun einmal eine Ausnahmesituation.“
Zwischendurch werden Menschen schon am Empfang wieder weggeschickt. Ein Patient kommt mit einer leichten Schwellung am Schienbein. Kaya begutachtet die Stelle. „Sie müssen sich irgendwo gestoßen haben“, meint sie. „Das ist nichts Schlimmes. Sie können wieder gehen.“ Kommentarlos verlässt der Patient das Klinikum. Fälle wie dieser sind ein häufiges Problem in Notaufnahmen: „Oft wissen die Leute gar nicht, dass wir hier kein ambulanter Notdienst sind“, sagt Kaya. Die ZNA sei darauf ausgelegt, Notfallpatient*innen auf Station zu verlegen und über Nacht dazubehalten. Da sei es wichtig, die Kapazitäten zu entlasten und sich bei harmlosen Verletzungen eher an einen Hausarzt oder eine ärztliche Notfallpraxis zu wenden.
Ich verlasse die Notaufnahme gegen drei Uhr morgens. Klar ist: Ich habe enorm viel Respekt davor, was die Mitarbeitenden leisten. Es ist jetzt ruhiger, Daniel Krieger ist bereits gegangen. Einige Kolleg*innen wie auch Ceren Kaya oder Irina von Heimburg werden noch bis morgen früh bleiben, dann ist auch ihre Schicht zu Ende.