Fabienne Führmann ist Psychologin an der Institutsambulanz der KRH Psychiatrie Wunstorf und Expertin für einen gesunden Umgang mit Stress. Stress ist normal und ein gewisses Level sorgt für Effektivität. Doch der Stressfaktor sollte nicht ins Negative kippen. Die Psychologin gibt Tipps, wie das gelingt.
Er ist jetzt Führungskraft eines Teams. Es funktioniert nicht reibungslos und kommt zu Spannungen. Die Erwartungen sind hoch. Kommentare und Blicke werden persönlich genommen. Die Situation wird unerträglich. Eines Morgens findet er sich zitternd auf seinem Badezimmerteppich wieder und merkt: So kann es nicht weitergehen.
„Die Wahrnehmung von Stress ist immer subjektiv“, erklärt Fabienne Führmann. „Im Grunde treffen zwei Faktoren aufeinander: die äußeren Stressfaktoren und die eigenen Fähigkeiten, mit diesen umzugehen.“ Und hier ist schon das Zauberwort: Resilienz. Resilienz bedeute, so die Psychologin an der Institutsambulanz der KRH Psychiatrie Wunstorf, auf wechselnde Anforderungen flexibel reagieren zu können. Entscheidend sei, sich selbst einschätzen zu lernen. Ist der verspannte Nacken bei mir ein Anzeichen von Stress? Woher kommen die Magenschmerzen? Resilienz ist auch die Fähigkeit, von Problemen Abstand zu nehmen, die Perspektive wechseln zu können und sich selbst Raum zu geben, das zu tun, was einem Spaß und Freude macht. „Das Schlimmste ist, in eine Stressspirale zu kommen“, sagt Führmann. „In dem oben genannten Fall war die Person, als sie das erste Mal zu mir in die Institutsambulanz kam, sehr hektisch, wirkte angespannt und sprach sehr schnell. Sie hat die Arbeit mit nach Hause genommen, am Wochenende weitergemacht, sich keine Ruhe gegönnt und sich ständig Vorwürfe gemacht. Ein gefährlicher Kreislauf.“ Dann kam der Zusammenbruch. Der Hausarzt schrieb diesen Mann krank und überwies ihn in psychotherapeutische Behandlung. „Die Überweisung des Hausarztes ist der häufigste Weg zu uns“, sagt Führmann. „Wenn Sie Hilfe suchen, dann können Sie einen Sprechstundentermin bei einem niedergelassenen Psychotherapeuten vereinbaren oder aber in Krisensituationen auch direkt mit uns Kontakt aufnehmen.“ Auch der sozialpsychiatrische Dienst am Wohnort oder der Kontakt zu Beratungsstellen und Selbsthilfeangeboten sei eine Option.
Stressfaktoren nicht verarbeiten zu können kann Folgen haben. Alle kennen den Begriff Burn-out, einen chronischen Erschöpfungszustand, der keine eigenständige Erkrankung ist, sondern ein Risikofaktor für unterschiedliche psychische und körperliche Erkrankungen. Was Fabienne Führmann interessant findet: „Wer sagt, er habe einen Burn-out, erfährt meistens Mitleid oder Solidarität. Dann hatdie Gesellschaft schuld – oder der Beruf. Wenn aber jemand sagt, er oder sie leide unter einer Depression, dann wird das eher als persönliches Versagen wahrgenommen, als Schwäche.“ Eine Depression ist aber nicht die einzige Folge von nicht verarbeitetem und chronischem Stress. Das Immunsystem kann sich abschwächen, die Libido zurückgehen, Magenschmerzen und Bluthochdruck können entstehen. „Resilienz aufzubauen ist der Weg, um mit Stress gelassener umgehen zu können. Stress ist nicht zwangsläufig gesundheitsschädlich, sondern kann uns sogar leistungsfähiger machen. Wichtig ist, überdauernde Stressoren zu vermeiden und eine Balance zwischen Anspannung und Belastung sowie Entspannung zu etablieren“, sagt Führmann.
Darum bekam der anfangs beschriebene Patient eine Mandarine. Er sollte fühlen, riechen, schmecken, im Moment sein und seine Wahrnehmung darauf konzentrieren. Achtsam sein. Genusstherapie ist der Fachbegriff. Zusammen mit der Stressexpertin erforschte er sich selbst: Was macht mir Spaß? Esse ich, während ich meine E-Mails lese, oder nehme ich mir bewusst Zeit? Gehe ich selbstfürsorglich mit mir und meinen Ressourcen um? „Die Geschichte hat ein Happy End“, sagt Führmann. Der Mann merkte, wie wichtig Kommunikation ist, und sprach mit seinem Vorgesetzten. Es kam heraus, dass schon mehrere Führungskräfte an dem Team zerbrochen waren. Gemeinsam entschieden beide, das Team aufzulösen und neu zusammenzustellen. Die Psychologin: „Es ist wichtig, sich gegen Stress zu wehren. Stress wird immer da sein, aber durch Resilienz können wir damit umgehen. Es ist übrigens nicht schlimm, sich dafür Hilfe zu suchen.“
Aktiv gegensteuern – Tipps in Kurzform
- Erholen und genießen: Genusstraining, Sport, sich Auszeiten nehmen und gezielt angenehme Aktivitäten planen, sich fragen: Was tut mir gut? Wie lade ich meine Batterien wieder auf?
- Mentale Stärke: Perspektiven wechseln, seine Ansprüche hinterfragen und selbstfürsorgliche Kompetenzen stärken
- Probleme lösen: sich mit anderen austauschen, große Ziele in Teilziele aufteilen und schrittweise vorgehen