Mit aller Macht hat sich das KRH Klinikum Region Hannover gegen die Effekte des Krankenhauskrisenjahres 2019 und die erschwerten Rahmenbedingungen gestemmt. Zwar konnte das geplante ausgeglichene Konzernjahresergebnis von 199 Tausend Euro in 2019 wie angekündigt nicht erreicht werden. Es ist aber durch frühzeitig und konsequent eingeleiteten Steuerungsmaßnahmen gelungen, ein deutlich besseres Ergebnis zu erreichen, als noch im Jahresverlauf prognostiziert. Das Konzernergebnis für das Jahr 2019 liegt bei -12,8 Millionen Euro. Vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen, also ohne die Belastungen aus eigenen Investitionen, ist das Ergebnis mit +6,4 Millionen Euro deutlich positiv.
„Viele Krankenhäuser in Deutschland geraten auf Grund der verschärften Rahmenbedingungen und der ständigen Flut an neuen Vorschriften mehr und mehr in Schieflage. Das KRH hat sich dieser Entwicklung mit großer Kraft entgegengestellt. Ohne dieses Engagement wäre das Ergebnis erheblich schlechter“, verdeutlicht Regionspräsident Hauke Jagau, Aufsichtsratsvorsitzender des KRH, die Einschätzung des Gremiums der aktuellen Lage. „Aufgrund der klaren Haltung der Region Hannover und ihrer politischen Gremien sowie der Größe und Struktur unseres Krankenhausunternehmens haben wir noch vergleichsweise flexible Reaktionsmöglichkeiten. Andere Krankenhäuser werden von den Verschärfungen noch deutlich härter getroffen.“
Michael Borges, Stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender des KRH pflichtet ihm bei. „Der Dank der Arbeitnehmervertretung des Aufsichtsrates der KRH GmbH geht an unsere Kolleginnen und Kollegen, dass sie sich trotz aller Belastungen konstruktiv mit strukturellen Veränderungen auseinandergesetzt haben. Unter diesen Rahmenbedingungen Versorgung zu organisieren, ist hochprofessionell und verdient unseren besonderen Respekt und unsere Anerkennung. Wir erhoffen, dass diese Wertschätzung in der anstehenden Tarifrunde zu einem spürbar guten Ergebnis für die Beschäftigten führt.“
Auch die KRH Geschäftsführung mit Michael Born (Personal), Dr. Matthias Bracht (Medizin) und Barbara Schulte (Finanzen und Infrastruktur) bewertet das Jahr 2019 und die aktuelle Lage als außergewöhnlich herausfordernd: „Leider verkehren sich die Zielsetzungen der deutschen Gesundheitspolitik, die Qualität der Versorgung und die Arbeitsbedingungen der Beschäftigten weiter zu verbessern, in ihren realen Wirkungen in das Gegenteil: Statt mehr Pflege am Bett bewirken die Reformen weniger Versorgung mit noch höherem bürokratischem Aufwand und damit noch mehr Belastung für Beschäftigte“, fasst sie die Situation 2019 zusammen. Bereits Mitte 2019 hatte das Unternehmen bei der Vorstellung des ausgeglichenen Ergebnisses 2018 auf die komplexen Zusammenhänge und die zu erwartenden negativen Ergebnisauswirkungen der unterschiedlichen Entwicklungsstränge aufmerksam gemacht. „Leider haben wir hier Recht behalten“, so die drei Gesundheitsexperten. „Wir scheuen uns nicht, notwendige Veränderungsprozesse zu gestalten. Aber der rote Faden, wohin die Gesetzesinitiativen führen sollen und die Einsicht, dass komplexe Veränderungen angemessene Reaktionszeiten erfordern, waren in 2019 leider nicht erkennbar.“
Zu den Entwicklungen im Einzelnen:
Sicherstellung der Versorgung
Der Gesetzgeber hat den Fachkräftemangel in 2019 durch die Einführung von verbindlichen Pflegepersonaluntergrenzen in weiten Teilen zusätzlich verschärft. Was politisch als Entlastungsmaßnahme für die Pflegenden und Qualitätsoffensive der Versorgung verkauft wurde, führte in der Realität, aufgrund der nicht verfügbaren zusätzlichen Pflegekräfte, zu einer drastischen Einschränkung der Versorgungsmöglichkeiten der Krankenhäuser. Dieses weniger an Versorgung spüren Bürger und Patienten und führt bei den Krankenhäusern zu weniger abrechenbarer Leistung und damit zu schlechteren wirtschaftlichen Ergebnissen. Hochrechnungen im Jahresverlauf ergaben für das KRH ein daraus resultierendes Negativergebnis von bis zu 20 Millionen Euro. Die umgehend eingeleiteten Gegensteuerungsmaßnahmen griffen und führten zu dem beschriebenen Jahresergebnis 2019. „Wir mussten uns der Frage stellen, wie wir die weniger verfügbaren Versorgungsressourcen am besten einsetzen,“ fasst die KRH Geschäftsführung die damalige Ausgangssituation zusammen. „Unsere Antwort als Unternehmen lautete: Wir müssen nach medizinischer Priorität agieren und die Prozesse weiter optimieren.“ In der Summe führte dies zu einem Rückgang der Fallzahlen von 117.000 Fällen im Jahr 2018 auf 113.000 Fälle im Jahr 2019. Gleichzeitig stieg aber die Behandlungsschwere der Patientinnen und Patienten. Der so genannte Case-Mix lag im Jahr 2019 durchschnittlich bei 1,055 Punkten. Im Jahr 2018 hatte er noch bei 1,043 gelegen. In den psychiatrischen Kliniken des KRH konnte die Zahl der Behandlungstage im Vergleich zum Vorjahr um 6.000 auf 279.000 gesteigert werden.
Zunehmende Bürokratisierung
Entgegen aller Beteuerungen der Bundesebene, für Rahmenbedingungen zu sorgen, die die pflegerischen und medizinischen Berufe im Krankenhaus wieder attraktiver machen sollen, war das Jahr 2019 von einer zunehmenden Bürokratisierung und überbordenden Misstrauenskultur der Krankenkassen geprägt. Allein durch Prüfungen des frisch umbenannten Medizinischen Dienstes (früher MDK), gingen dem KRH elf Millionen Euro an Erträgen für erbrachte Leistungen verloren. „Das tragische an dieser Entwicklung ist, dass wir Krankenhäuser gezwungen werden, noch mehr Fachkräfte aus der Medizin und Pflege mit diesen bürokratischen Prozessen zu belasten“, erklärt die KRH Geschäftsführung „Es ist tragisch in zweifacher Hinsicht: Zum einen wirkt sich dies negativ auf die Attraktivität der medizinisch-pflegerischen Berufe aus. Zum anderen sind wir gezwungen, dringend benötigte Fachkräfte dem eigentlichen Versorgungsprozess an den Patientinnen und Patienten zu entziehen, um sie für überbürokratisierte Dokumentationsprozesse einzusetzen.“
Konsequente Umsetzung der Medizinstrategie 2025
Die Verschärfungen der Rahmenbedingungen fördern die weitere Schwerpunktbildung und gezielte Spezialisierung der Leistungsangebote. Dies greift die Medizinstrategie 2025 des KRH auf und verbindet die geforderte Konzentration mit der gleichzeitigen Sicherung einer möglichst wohnortnahen Versorgung in der Region Hannover. So konnten 2019 weitere telemedizinisch betreute Schlaganfalleinheiten an den Standorten Großburgwedel und Gehrden in Betrieb genommen werden. Mit den bereits vorhandenen Einheiten am KRH Klinikum Nordstadt, dem KRH Klinikum Agnes Karll Laatzen und am KRH Klinikum Neustadt am Rübenberge können jetzt an 5 Standorten der KRH akute Schlaganfälle in spezialisierten Einheiten versorgt werden. Am Standort Gehrden konnte ein Zentrum für robotisch unterstützte Operationsverfahren aufgebaut werden. Das KRH Klinikum Mitte mit den Standorten Nordstadt und Siloah wuchs strukturell weiter zusammen. Der Bereich der stationären Versorgung von Krebspatienten ist kontinuierlich gewachsen und analog zur Medizinstrategie für die somatischen Häuser, wurde 2019 eine Psychiatriestrategie für die KRH Psychiatrien in Wunstorf und Langenhagen entwickelt.
Die Planungen für den zweiten Neubauabschnitt am KRH Klinikum Robert Koch Gehrden konnten erfolgreich weiter vorangetrieben werden und für den Neubau des KRH Klinikums Großburgwedel konnte ein neuer Standort gefunden und das dazugehörende Areal mit Unterstützung der Region Hannover und der Stadt Burgwedel erworben werden. Das Projekt zum Erweiterungsneubau des altersmedizinischen Schwerpunktes am KRH Klinikum Lehrte läuft im Zeitplan.
Investitionen und Zukunftssicherung
Trotz der schwierigen wirtschaftlichen Lage hat das KRH im Jahre 2019 über 28 Millionen Euro zur Zukunftssicherung der Versorgung in der Region investiert. Ein Großteil davon wurde im Bereich der ständigen Modernisierungen von Stationen, Funktions- und Behandlungsbereichen und in die Medizin- und Gebäudetechnik eingesetzt. Im besonderen Maße wurden aber auch Investitionen getätigt, die den Beschäftigten und ihren Arbeitsbedingungen zu Gute kommen: Gerade die klinisch Tätigen sollen von belastenden und professionsfremden Tätigkeiten befreit werden, um so für eine Attraktivitätssteigerung der Berufsbilder zu sorgen. So wurden fast 1.000 elektrisch verstellbare Betten beschafft und die Digitalisierung der Patientendatendokumentation auf weitere Standorte ausgeweitet. Im Moment erfolgt beispielsweise das Ausrollen der mobilen digitalen Vitalparametererfassung und der Spracherkennung auf alle somatischen Häuser des Klinikums Region Hannover.
Daneben wurde 2019 das KRH MobilTeam gegründet. Eine interne Zeitarbeitsagentur, die es Beschäftigten ermöglicht, nur zu ihren Wunscharbeitszeiten im Dienst zu sein. Im Gegenzug sind diese Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter örtlich flexibel und können KRH-weit eingesetzt werden, wenn vor Ort kurzfristige Ausfälle, beispielsweise durch Krankheit auftreten. Im MobilTeam erfolgte im Jahr 2019 bereits ein Aufbau auf 39 Beschäftigte, was zu einer erheblichen Steigerung der Mitarbeiterzufriedenheit und zu einem weiter angestrebten Zurückdrängen des Einsatzes von externen Zeitarbeitskräften führte. Der Aufbau des MobilTeams mit bis zu 100 Vollkräften und die Einführung von Entlastungstagen für an Patienten tätige Pflegende war bereits Bestandteil eines umfangreichen Einigungspaketes, das 2019 verhandelt und Anfang 2020 mit der Gewerkschaft ver.di abgeschlossen werden konnte.
Die vielen Vorteile, die das Arbeiten im KRH hat, auch nach außen zu zeigen und für die Fachkräftegewinnung zu nutzen, war ein weiterer Baustein, der auch in der Öffentlichkeit in der Region Hannover wahrgenommen werden konnte. Die Entwicklung des Arbeitgeberprofils „Spießer, Abenteurer und Lebenskünstler“ hat mit dazu beigetragen, dass sich die Bewerberzahlen in der Spitze vervierfacht haben. Außerdem hat dieses Unternehmensprofil erheblich Strahlkraft nach innen entwickelt und zu einer stärkeren Identifikation der Beschäftigten mit dem Unternehmen geführt. Im Ergebnis arbeiteten mit fast 8.000 Beschäftigten im Jahresschnitt fast 160 Menschen mehr im KRH als im Jahr zuvor.
Ausblick 2020
Das Jahr 2020 wird auch für die an Turbulenzen gewöhnte Krankenhausbranche ein außergewöhnliches bleiben. Überlagert von dem aktuellen Corona Pandemiegeschehen, dass in seiner Dynamik noch einmal die Systemrelevanz der stationären Krankenversorgung und die Notwendigkeit von Vorhaltefinanzierung verdeutlicht hat. Welche wirtschaftlichen Auswirkungen dies letztendlich auf das Klinikum Region Hannover haben wird, kann noch nicht abschließend gesagt werden. Dafür ist das Zusammenwirken der unterschiedlichen Sonderreglungen, Verordnungen und Außerkraftsetzungen alter Regelungen zu komplex und die Entwicklung bis zum Jahresende zu unklar. Als Beispiele seien hier nur das vorrübergehende Verbot von Elektivbehandlungen, die Erstattung einer Bettenleerstandspauschale als Ersatz- und Vorhaltefinanzierung und die weiter geltenden Freihaltevorgaben für Behandlungskapazitäten genannt. Zudem kann noch nicht abgeschätzt werden, wie sich die Zahl der behandlungsbedürftigen Corona-Patienten im weiteren Verlauf des Jahres entwickeln wird. Feststellbar ist schon jetzt, dass neben den nicht erfolgten Elektivbehandlungen auch ein deutlicher Rückgang bei den Notfallenbehandlungen, insbesondere bei den Schlaganfällen und Herzinfarkten, zu verzeichnen ist. Dieses führen die Experten auf die besondere Zurückhaltung von Patientinnen und Patienten zurück, die bei einem Krankenhausaufenthalt ein erhöhtes Ansteckungsrisiko fürchten. Dieses Risiko steht allerdings in keinem Verhältnis zu den Schäden, die durch eine Nichtbehandlung eines Schlaganfalls und Herzinfarktes eintreten können.
Nach Einschätzung der KRH Geschäftsführung werden die Konstanten des Jahres 2019 auch für 2020 und darüber hinaus prägend bleiben. „Der ungeheure Druckaufbau durch den Gesetzgeber, der kaum Reaktionszeiten vorsieht und die komplexe Gemengelage der gesundheitsökonomischen Rahmenbedingungen, wie der Fachkräftemangel, die zunehmende Bürokratisierung, das aggressive Prüfverhalten des Medizinischen Dienstes, die unzureichenden ambulante Notfallversorgungsstrukturen, die unzureichende Investitionsfinanzierung und die Endlichkeit der Kostenschraube im DRG-System genannt, werden uns weiter vor erhebliche Herausforderungen stellen.“
Zahlen, Daten und Fakten KRH 2016 bis 2019:
Konzernergebnis:
- 2016: 3,7 Millionen Euro
- 2017: 21,8 Millionen Euro (ohne Sondereffekte ca. 5 Millionen Euro)
- 2018: 1,4 Millionen Euro
- 2019: -12,8 Millionen Euro
EBITDA:
- 2016: 30,8 Millionen Euro
- 2017: 42,5 Millionen Euro (ohne Sondereffekte ca. 25,6 Millionen Euro)
- 2018: 20,6 Millionen Euro
- 2019: 6,4 Millionen Euro
Investitionen
- 2016: 15,7 Millionen Euro
- 2017: 19,2 Millionen Euro
- 2018: 15,5 Millionen Euro
- 2019: 28,4 Millionen EUR
Betriebliche Erträge
- 2016: 593 Millionen Euro
- 2017: 614 Millionen Euro
- 2018: 611 Millionen Euro
- 2019: 630 Millionen EUR
Durchschnittlicher Schweregrad der Behandlungsbedürftigkeit pro Patient (Somatik)
- 2016: 1,014 (CMP)
- 2017: 1,025 (CMP)
- 2018: 1,043 (CMP)
- 2019: 1,055 (CMP)
Eigenkapitalquote
- 2016: 9,0 Prozent
- 2017: 12,1 Prozent
- 2018: 11,7 Prozent
- 2019: 9,7 Prozent
Mitarbeiter (Köpfe) im Jahresdurchschnitt
- 2016: 7.795
- 2017: 7.777
- 2018: 7.823
- 2019: 7.981
Mitarbeiter (VK) im Jahresdurchschnitt
- 2016: 5.416
- 2017: 5.446
- 2018: 5.467
- 2019: 5.613
Fallzahlen in der Somatik:
- 2016: ca. 123.000
- 2017: ca. 121.000
- 2018: ca. 117.000
- 2019: ca. 113.000
Behandlungstage in den psychiatrischen Kliniken:
- 2016: ca. 277.000
- 2017: ca. 277.000
- 2018: ca. 273.000
- 2019: ca. 279.000