Patientenbedürfnisse ändern sich, Rahmenbedingungen in der Finanzierung ändern sich, Behandlungskonzepte ändern sich – Alles ist in Bewegung und im Fluss. Um auf diese unterschiedlichen Entwicklungen immer wieder neu reagieren zu können, hat das KRH Klinikum Region Hannover das Instrument der Medizinstrategie entwickelt. Unter der Moderation des Zentralbereiches Unternehmensentwicklung wurde sie von den jeweiligen Fachleuten aus Standorten und Kliniken entwickelt. Ging es bei der Medizinstrategie 2025 I vor allem um die somatische Medizin, so beschäftigt sich die Medizinstrategie 2025 II mit den psychiatrischen Themen. Intern wird deshalb auch immer wieder von der Psychiatriestrategie 2025 gesprochen. Jetzt begann die Umsetzung mit einem Kick-Off-Treffen, der für die Umsetzung Verantwortlichen. Die beiden Ärztlichen Direktoren, Prof. Dr. Iris Tatjana Graef-Calliess, KRH Psychiatrie Wunstorf, und Dr. Stefan-M. Bartusch, KRH Psychiatrie Langenhagen, erläutern, was dahintersteckt.
Warum war es notwendig, eine KRH Psychiatriestrategie 2025 zu entwickeln?
Die Psychiatriestrategie komplettiert die KRH Medizinstrategie 2025 Teil II. Wir als psychiatrische Krankenhäuser im Unternehmen waren aufgefordert, eine speziell auf die Anforderungen und Bedarfe der Psychiatrie ausgerichtete Strategie zu entwerfen. Und so wurde im zurückliegenden Jahr, noch unter der Leitung unseres Vorgängers, Herrn Prof. Marcel Sieberer, damit begonnen, Zukunftsszenarien zu entwerfen – Immer mit der Fragestellung: Welche Aufgaben werden Häuser wie unsere im Jahr 2025 haben, welche Bedarfe werden von außen an uns gestellt werden, wie werden wir uns darauf einstellen müssen, wie wird sich Gesellschaft verändern, wie werden sich die finanziellen Rahmenbedingungen verändern? Moderiert und begleitet wurde das vom Zentralbereich Unternehmensentwicklung in Abstimmung mit der Geschäftsführung. Wir mussten eine Vision entwickeln, in der die wirtschaftlichen Grundlagen und die inhaltlichen Notwendigkeiten sinnvoll und zweckmäßig miteinander verwoben werden. Das war reizvoll und spannend.
Wie sind Sie bei der Entwicklung vorgegangen?
Ganz wichtig war und ist uns die Beschäftigtenbeteiligung. Darum begann alles mit einem klassischen Bottom-up-Prozess. Wir gestalteten standortübergreifend zwei große Workshops, um so ein Stimmungsbild zu erhalten und eine Bedarfsanalyse zu entwerfen: Was wird wie gesehen und wie wird hier gedacht. Es folgte eine Arbeitsgruppenphase in kleineren Runden, in der sich dann Schwerpunktthemen gebildet haben.
Was wurde dabei deutlich?
Dass wir insgesamt schon über gute Angebote verfügen und auch genug Grund haben, selbstbewusst zu unseren Häusern zu stehen. Aber wir mussten auch ganz klar Entwicklungsbereiche feststellen, wo wir aufgefordert sind, den Ansprüchen einer modernen Psychiatrie zu entsprechen. So gibt es beispielsweise eine Leitlinie gegen Zwang und Gewalt, die konsequent umgesetzt werden muss. Dafür benötigt man gute Bedingungen. Neben der Professionalisierung und der dazu passenden Haltung der Beschäftigten braucht man dafür u. a. auch eine gute Architektur und angemessene Räumlichkeiten, die nicht noch angst- und unsicherheitsverstärkend wirken, sondern im Gegenteil Freiraum und ein entängstigendes Milieu für Menschen in seelischen Krisen bieten. Bei der Frage der Vergütung für unsere Leistungen sind wir auch im Hinblick auf die neue Personalverordnung PPP-RL nach wie vor im Umbruch, da wissen wir an vielen Stellen noch nicht, wie sich die Rahmenbedingungen entwickeln werden.
Was ist denn jetzt bei der Erarbeitung herausgekommen?
Wir haben sieben große Themenkomplexe identifiziert, von denen wir fünf priorisiert haben und die die ab jetzt, mit einem verabredeten Zeitplan in die Umsetzung gehen.
- Aufnahmebereiche, in Wunstorf mit Ambulanzzentrum, und Aufnahmesteuerung der Patientinnen und Patienten
- Behandlungssettings und die Beziehungsgestaltung im Behandlungsprozess
- Weiterentwicklung spezialisierter evidenzbasierter Behandlungsangebote
- Ausbau und Verzahnung nicht-stationärer Versorgungsangebote (Ambulantisierung)
- Personalentwicklung
Insgesamt sehen wir, dass wir einmal andersherum denken müssen, als es uns in den bisherigen Strukturen vorgegeben wird – weg von der Bettenzentrierung, hin zur Patientenzentrierung. Der Patient, der sich in einer aktuellen Krise befindet, braucht zunächst einmal ein Aufnahmesetting, in dem er möglichst angstarm zur Ruhe kommen kann, seine Geschichte nicht fünf Behandlern und Therapeuten erzählen muss, sondern von einem festen Behandlerteam in einer großen Kontinuität durch die unterschiedlichen Bereiche begleitet wird. Das kann beginnen bei einem, nur wenige Tage andauernden, stationären Aufenthalt, kann über die teilstationäre Therapieeinheit bis hin zu ambulanten Angeboten in Ergo- oder Arbeitstherapie gehen, so dass die Menschen viel stärker in ihrem sozialen Umfeld bleiben können. Ohne bauliche Veränderungen werden wir vieles von dem, was wir erarbeiten werden, nicht umsetzen können. Die Finanzierungsfragen müssen wir stets mitdenken.
Wie geht es jetzt weiter?
In einem Auftakttreffen verabredeten wir Zuständigkeiten für an den Strategiezielen orientierte Projekte unter dem Dach einer Steuerungsgruppe. Die Steuerungsgruppe sammelt die Ergebnisse und koppelt sie untereinander. Diese Ergebnisse sollen regelmäßig mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in unterschiedlichen Formaten diskutiert werden, beispielsweise in einem Strategiecafé bei Kaffee, Tee und Gebäck, bei dem die Projektverantwortlichen für Gespräche und den Austausch zur Verfügung stehen. Das ist uns im Übrigen ganz wichtig, dass niemand auf dem Weg abgekoppelt wird, sondern dass wir in einem ständigen Austausch bleiben. Teilweise können wir Themen in Wunstorf und Langenhagen im Gleichschritt behandeln, andere werden wir unterschiedlich angehen müssen, weil wir auch ganz unterschiedliche Ausgangspositionen haben.
Was sehen Sie als die größten Herausforderungen?
Der Alltag und die Praxis in der Psychiatrie sind komplex. Deswegen arbeiten viele Berufsgruppen verantwortlich zusammen. Es wird unsere Aufgabe sein, den gemeinsamen Weg so zu gestalten, dass alle Kolleginnen und Kollegen spüren und erleben, dass sich jeder einbringen und so Teil des Prozesses werden kann. Wir wissen auch, dass es Unsicherheiten und Ängste bei einigen Mitarbeitern gibt. Andere brennen ungeduldig darauf, dass wir mit den Themen in die Umsetzung gehen. Wir werden darauf achten müssen, für den gemeinsamen Weg die angemessene Geschwindigkeit zu finden und Resonanz- und Kommunikationsräume anzubieten. Wir leben von der Vielfalt der Menschen, die bei uns arbeiten und die uns ermöglicht, auf die vielfältigen Probleme und Ansprüche der uns anvertrauten Patientinnen und Patienten zu reagieren.