
In guten Händen: Rettungssanitäter sind meist die Ersten bei einem Notfallpatienten – und melden diesen dann in der Notaufnahme an, damit das zuständige Team alles vorbereiten kann. Dr. Michael Maringka begleitet die Patientin in den Schockraum.
Beschwerden, die Lebensgefahr befürchten lassen, haben höchste Priorität: In den Notaufnahmen des Klinikum Region Hannover geht es um Zeit sowie gebündelte Kraft und Expertise. Der Faktor Zeit spielt in den Notaufnahmen der KRH Kliniken bei der Behandlung von akut Erkrankten und frisch Verletzten eine enorme Rolle. Das unfallchirurgische Team der Kliniknotaufnahme hält sich ständig bereit, um jederzeit sofort am Verletzten zu sein, ihn zu untersuchen und gegebenenfalls schnell zu operieren. Werden Patienten – meist mit Rettungs- oder Notarztwagen – in die Klinik eingeliefert, läuft dort ein standardisierter diagnostischer und therapeutischer Algorithmus ab. Er stellt für die Ärzte einen Leitfaden auf dem schnellen Weg von einem bestimmten Symptom zur Diagnose und Notfalltherapie dar. „Schwere Fälle werden uns in der Regel von Rettungsdienst und Notärzten vorgemeldet“, sagt PD Dr. Marc Schult, Chefarzt der Klinik für Unfallchirurgie, Handchirurgie und Orthopädie im Nordstadtkrankenhaus. „Da sind wir beim Eintreffen des Patienten gut vorbereitet.“
In der Notaufnahme der Unfallchirurgie entscheiden die Ärzte und Pflegekräfte dann mithilfe eines gestaffelten Systems (Triage) nach Dringlichkeit der Akutbehandlung. „Wir haben rund 160 Notfallpatienten pro Tag, davon sind etwa zehn echte Notfälle, die sofortiger Behandlung wie zum Beispiel einer Operation bedürfen“, betont Dr. Schult. Zwei Schockräume für die interdisziplinäre Erstversorgung schwer verletzter und polytraumatisierter Patienten stehen in der Nordstadt zur Verfügung. „Offene Knochenbrüche müssen sofort chirurgisch versorgt werden, Neurochirurgen stoßen bei Kopfverletzungen dazu, Radiologen für die Bildgebung, und die Anästhesie steht für Operationen bereit.“
Dass die Rettungswagen die besonders gefährdeten Patienten in der Notaufnahme anmelden, spielt vor allem für die kardiovaskulären Notfälle eine zentrale Rolle. „Patienten können dann direkt ins Herzkatheterlabor gebracht oder eine Computertomografie kann vorbereitet werden“, erläutert Prof. Dr. Marc W. Merx, Chefarzt der Klinik für Herz- und Gefäßkrankheiten des KRH Klinikum Robert Koch Gehrden. Schwieriger werde es, wenn Patienten sich selbst auf den Weg machten. „Da geht dann eine Kaskade an Diagnostik wie Blutabnahme und EKG los. Wir müssen einen Herzinfarkt oder Schlaganfall schnell erkennen oder ausschließen. Dabei zählt jede Minute“, betont Prof. Merx. Die genaue Befragung und Anamnese der Patienten und seiner Angehörigen durch das Kliniknotfallteam sei besonders wichtig. „Jedes Detail, jedes Medikament ist aufschlussreich für uns.“ Das Ärzteteam in der Notaufnahme ordne die Informationen dann ein und die notwendige Therapie an.
Die Mediziner beurteilen den ersten Eindruck, den die eingelieferten Patienten machen. Sind sie kaltschweißig, wie sind Atmung und Puls? „Blutabnahme, Blutdruckkontrolle und EKG werden schon in den ersten Minuten nach Einlieferung veranlasst“, so Prof. Merx. Neurologen haben Sensibilität etwa von Extremitäten oder der Haut, Mimik und Augenbewegung im Blick – und suchen nach Anzeichen für einen Schlaganfall. Patienten mit entsprechendem Verdacht kommen dann direkt in den Computertomografen. „Dort wird geschaut, ob es eine Blutungsstörung oder eine Blutung im Gehirn gibt.“ Auch hier müsse innerhalb von 30 Minuten mit einer Behandlung begonnen werden, so der Spezialist. Bei Schlaganfallpatienten könne der Neurologe auch im Hintergrund- oder Bereitschaftsdienst eine Bewertung abgeben – die Technik der Teleneurologie macht das möglich.
In die Notaufnahme des KRH Klinikum Gehrden kommen auch Patienten mit Beschwerden im Bauchraum. Hier gilt es zu klären, ob ein akuter chirurgischer Behandlungsbedarf besteht, etwa bei einem Darmverschluss. „Auch sehen wir häufig Patienten mit Blutungen aus dem Magen-Darm-Trakt. Blutiges Erbrechen oder blutiger Stuhl – das ist für viele Menschen ein Schock und oft gefährlich“, sagt Prof. Dr. Jochen Wedemeyer, Ärztlicher Direktor in Gehrden. Das sei ein dramatisches Krankheitsbild, das oft mit Störungen im Bereich des Magen-Darm-Traktes und der Speiseröhre zusammenhänge. Wenn der Blutverlust groß ist (Hypovolämie), kann er sehr schnell zum Schock und schließlich zum Tod führen. „In solchen Fällen muss man rasch und richtig handeln.“ Die Kunst in der Notaufnahme sei es, das richtig abzuschätzen und die erforderlichen Maßnahmen in die Wege zu leiten. Mittels einer Magen- und/oder Darmspiegelung kann dann die Blutungsquelle identifiziert und behandelt werden.
Ein echter Notfall, bei dem ebenfalls jede Minute zählt, ist das sogenannte rupturierte Aortenaneurysma, die gerissene oder geplatzte Ausbeulung der Hauptschlagader (Aorta). „Ab einem Umfang von über fünf Zentimetern wächst das Risiko, dass die Aorta platzt – das ist dann akut lebensgefährlich“, erklärt Dr. Michael Maringka, Chefarzt der Klinik für Gefäß- und Endovaskularchirurgie. Damit ein Patient diesen Ernstfall überleben könne, müsse die Rettungskette optimal funktionieren – vom Rettungsdienst über die Anfahrt in die richtige Klinik bis zur schnellen Diagnostik mittels CT und Ultraschalluntersuchung in der Notaufnahme.
„Wir schauen, wo der Riss oder Durchbruch (Ruptur) sitzt, und planen umgehend die Versorgung“, erklärt Dr. Maringka. Im günstigsten Fall werden diese schweren Fälle bei den Kliniken schon vor der Ankunft des Patienten angemeldet, sodass das Team wertvolle Zeit gewinnt, um eine Not-OP vorzubereiten. „Aortenalarm hat höchste Priorität. Da geht es um Sekunden.“ Ein eingespieltes Team aus Radiologen, Narkoseärzten und Gefäßchirurgen werfe dann alles in die Waagschale, um die gesamte Kraft auf den gemeinsamen Patienten zu vereinen. Dr. Maringka erklärt, warum: „Bei Männern ist eine Aortenruptur eine der häufigsten Todesursachen.“