
Werkzeug: Für die Stabilisierung von Oberschenkelhalsbrüchen nutzt PD Dr. Marc Schult, Chefarzt der Klinik für Unfallchirurgie, Handchirurgie und Orthopädie am KRH Klinikum Nordstadt, sogenannte Gammanägel.
Im Grunde ist es ganz einfach – liegen bleiben gilt nicht. Da kennen Alterstraumatologen kein Pardon. Wer sich in hochbetagtem Alter einen Knochen bricht, darf sich zum Trost alles wünschen. Nur eines nicht: Stillstand. „Wieder aufstehen?“ Da muss PD Dr. Marc Schult kurz lächeln. „Na, am ersten Tag nach der OP!“
Schult weiß nicht nur als Chefarzt der Klinik für Unfallchirurgie, Handchirurgie und Orthopädie am KRH Klinikum Nordstadt, wie ungnädig dieser Zeitplan im ersten Moment klingt. Doch hat er vor allem eines im Sinn: „Jeder Tag im Bett erhöht für einen hochbetagten Menschen die Gefahr einer Lungenentzündung oder einer Thrombose massiv.“ Noch vor wenigen Jahrzehnten empfahlen die Experten bei Frakturen lange Ruhezeiten. „Inzwischen sind die Menschen jedoch bis in ein viel höheres Alter mobil.“ Entsprechend habe sich das Durchschnittsalter der Betroffenen erhöht und die Art ihrer Verletzungen verändert. Unter dem Stichwort Alterstraumatologie hat sich parallel eine spezielle und hochkomplexe Herangehensweise an Verletzungen hochbetagter Menschen entwickelt.
Alte Menschen bewegen sich anders
Im Zentrum stehen Frakturen im Hüft- und Beckenbereich, am Oberarm sowie Kopfverletzungen, sagt Schult. Dies liege auch an einem veränderten Bewegungsmuster hochbetagter Menschen sowie an schwindenden Reflexen, wie Kerstin Eickmeyer betont. Sie ist leitende Physiotherapeutin am KRH Klinikum Robert Koch Gehrden. „Alte Menschen können Stürze nicht so reflexhaft abfangen wie jüngere“, sagt sie. Zudem können Hochbetagte Schwankungen nicht mehr über das Fußgelenk ausgleichen, sondern müssen dies über die Hüfte tun.
„Der besondere Blick auf hochbetagte Menschen beginnt schon in der Notaufnahme“, sagt Dr. Martin Stolz. Er leitet die auf Altersmedizin spezialisierte Geriatrie am KRH Klinikum Langenhagen sowie mit Schult zusammen das Zentrum für Alterstraumatologie am KRH Klinikum Nordstadt.
Eine besondere Herausforderung sei dabei auch die klinische Diagnostik, sagt Stolz. „Die Knochen alter Menschen brechen ganz anders. Zuweilen reicht dafür schon ein kleiner Anstoß.“ Es bedürfe speziell auf diesem Gebiet erfahrener Mediziner, um diese Frakturen sofort zu erkennen. Dabei, betont Schult, sei keine Zeit zu verlieren. „Solche Frakturen müssen innerhalb von 24 Stunden operiert werden. Egal, ob an einem Sonntag oder einem Feiertag.“
Narkose als besondere Herausforderung
Die Fraktur selbst sei dabei für ein erfahrenes Team nicht die zentrale Hürde. „Die Operation selbst dauert nicht mehr als eine Stunde“, sagt Schult. Ob es um den mit einem Gammanagel stabilisierten Oberschenkelhalsknochen gehe oder nach dem Bruch der Hüfte um den Einsatz eines neuen Gelenks. „Komplex ist das Drumherum: Die Narkose muss angepasst werden. In der Regel ist auch die Kardiologie integriert. Und wir müssen damit umgehen, dass die Medikamente zur Blutverdünnung, die alte Menschen oft nehmen, nicht erst tagelang ausgeschlichen werden können.“
„Das Ziel der Alterstraumatologie ist die möglichst schnelle Remobilisierung der Betroffenen“, sagt auch die leitende Geriaterin am KRH Klinikum Nordstadt, Dr. Jessika Weldner. Die enge Zusammenarbeit mit der Geriatrie erlaube eine ganzheitliche Betrachtung des Menschen und seiner Ziele. In 85 Prozent aller Fälle, so die Statistik am KRH Klinikum Nordstadt, gelinge die Entlassung der Betroffenen in die von ihnen gewohnte Umgebung.