Kinästhetik ist ein wertvolles Werkzeug in der Pflege. Vereinfacht ausgedrückt geht es darum, den Patienten und seine ihm noch verbliebene Beweglichkeit aktiv in den Pflegeprozess miteinzubeziehen. Dies schont zum einen die körperlichen Kräfte des Pflegepersonals und fördert den Patienten in seiner Mobilität. Auszubildende, examinierte Pflegekräfte und Angehörige konnten sich beim Workshop am 1. November in der Eingangshalle des KRH Klinikums Siloah über die Möglichkeiten der Kinästhetik informieren und Grundprinzipien menschlicher Funktion selbst ausprobieren. Ein simples Beispiel verdeutlicht das wirkungsvolle Prinzip: Ist ein Patient ist in seinem Bett nach unten gerutscht, lautet der Standardablauf hierfür, dass eine oder zwei Pflegekräfte den Patienten wieder zur Kopfseite seines Bettes hinziehen. Die Pflegekräfte haben dabei viel zu tun, der Patient tut gar nichts. Im psychologischen Sinne kommt er sich sogar nutzlos vor. Im Sinne der Kinästhetik wäre es, ihn aktiv einzubeziehen. Kann er beispielsweise seine Beine noch aufstellen, so werden diese zuerst verlagert. Dies verteilt das Gesamtgewicht mehr auf eine Körperhälfte. In einem zweiten Schritt wird die entlastete Körperhälfte gemeinsam mit den Ressourcen des Patienten zum Kopfende bewegt. Wenn der Patient beispielsweise mit einem Arm noch ziehen kann, wird dies mit in den Bewegungsablauf einbezogen. So minimiert sich die körperliche Beanspruchung der Pflegekräfte enorm und der Patient ist aktiv beteiligt – dies fördert auch die Bewegungskompetenz im Anschluss an den stationären Aufenthalt.
Das Klinikum Region Hannover verfügt über einen großen Erfahrungsschatz im Einsatz der Kinästhetik. Der fünf Mal pro Jahr stattfindende Workshop feiert jetzt am 1. November sein 20. Jubiläum. Bereits im Jahr 2000 fand im Heidehaus eine bundesweit angebotene Ausbildung für Kinästhetik-Trainer statt – unter Leitung von Dr. Frank White Hatch und Dr. Linda Sue Maietta persönlich, den aus den USA stammenden Begründern der Kinästhetik. Damals bereits dabei war Gundula Geist. Seit zwanzig Jahren unterstützt sie die Etablierung der Kinästhetik im KRH durch Grund- und Aufbaukurse sowie durch praktische Begleitung vor Ort: „Indem wir die Patienten miteinbeziehen bringen wir ihnen eine Wertschätzung entgegen, die sie motiviert, ihre zum Teil auch wirklich nur noch sehr geringen Bewegungsmöglichkeiten wieder mehr zu nutzen“, bekräftigt Geist.
Den positiven Einfluss der Kinästhetik in der praktischen Pflege kann Klaus Reneberg, Pflegedienstleiter im Klinikum Siloah, bezeugen. Er begleitet das Thema im KRH seit den Anfangstagen im Heidehaus und erkennt eindeutige Langzeiteffekte: „Bei den Mitarbeitern, die das im Alltag über Jahre tatsächlich anwenden, treten deutlich seltener die typischen, belastungsverursachten Gesundheitsprobleme wie Rückenschmerzen oder ähnliches auf.“
Neben dem Klinikum Siloah ist die Kinästhetik auch im Klinikum Nordstadt etabliert. Seit drei Jahren läuft dort das Projekt „Bewegen statt Heben“. Ziel ist auch hier, einen Beitrag zur Prävention von Muskel und Skeletterkrankungen bei Mitarbeitern zu leisten. Grundlage des Projektes ist die Umsetzung des KRH Pflegestandards Kinaesthetics / Bewegung. Neben Kursen zum Thema wird hier vor allem auch die Unterstützung durch fünf als Peer-Tutoren geschulte Mitarbeiter angeboten, die im dienstlichen Alltag auf ihren Stationen als Ratgeber fungieren.