Die Mühen haben sich gelohnt: Nach intensiven Vorbereitungen wurde das Interdisziplinäre Kontinenz- und Beckenbodenzentrum im Klinikum Robert Koch Gehrden und im Klinikum Nordstadt jetzt nach dem neuen bundesweiten Zertifizierungsverfahren der deutschen Fachgesellschaften für Gynäkologie und Geburtshilfe, für Urologie, für Allgemein- und Viszeralchirurgie und für Koloproktologie (Enddarm-Erkrankungen) mit dem begehrten Zertifikat ausgezeichnet. Das Zertifizierungsverfahren wurde 2011 entwickelt und befand sich bislang in der sogenannten Pilotphase. Die KRH-Krankenhäuser wurden zur Teilnahme an der Pilotphase ausgewählt und gehören nun zu den ersten neun Zentren in ganz Deutschland, die nach diesem Verfahren ein Zertifikat erhalten haben.
Das kooperative Kontinenz- und Beckenbodenzentrum Region Hannover ist ein Netzwerk aus dem stationären Sektor des Klinikums Region Hannover und ambulanten Kooperationspartnern. Dies betrifft die regionale Versorgung der Stadt Hannover, Gehrden, Springe, Großburgwedel und Neustadt am Rübenberge. Auch die KRH-Standorte Klinikum Neustadt am Rübenberge und Klinikum Großburgwedel gehören zum Zentrum. Ansprechpartner für das Zentrum sind die Chefärzte der Frauenklinik Nordstadt, Prof. Werner Bader, und der Frauenklinik Robert Koch Gehrden, Dr. Wolfram Seifert.
Der Zusammenschluss von Fachärzten für Gynäkologie, Chirurgie, Koloproktologie, Urologie, Geriatrie, Pädiatrie, Orthopädie und Physiotherapie sowie Schmerztherapie hat das Ziel, die Versorgung in der Region Hannover zu verbessern und das Tabuthema der Inkontinenz bei Männern und Frauen offen anzugehen.
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der verschiedenen KRH-Fachabteilungen engagierten sich zunächst als zertifizierte Beratungsstellen der deutschen Kontinenzgesellschaft. Zu den weiteren Voraussetzungen der Zertifizierung zählte die Bildung einer interdisziplinären urologisch-gynäkologischen Ambulanz mit einer Kontinenzsprechstunde und regelmäßigen gemeinsamen Fallkonferenzen. An diesen Konferenzen und den Qualitätszirkeln nehmen Physiotherapeuten, Chirurgen, Urologen, Gynäkologen und Fachpflegekräfte teil. Durch externe Fachauditoren einer externen Zertifizierungsgesellschaft wird die hohe fachliche Qualität bei der Diagnostik und Therapie von Beckenbodenproblemen des interdisziplinär arbeitenden Zentrums überprüft.
Allein im Klinikum Robert Koch Gehrden werden jährlich rund 500 Patienten und Patientinnen mit Kontinenzstörungen oder Beckenbodenschwäche behandelt. Dabei reicht das Spektrum der Therapien von physiotherapeutischen Übungen einschließlich des Vibrationstrainings mittels GALILEO-Gerät (Muskelaufbau) über medikamentöse Therapien und Instillationsbehandlungen (Einträufeln von in einer Flüssigkeit aufgelösten Arzneimitteln direkt in die Blase) bis zu nahezu sämtlichen operativen Maßnahmen im vorderen, mittleren und hinteren Teil des Beckens.
Bei speziellen Fragestellungen wird mit der sogenannten sakralen Neuromodulation mit einer Art von Blasenschrittmacher auf die Blasen- und Stuhlhaltefunktion Einfluss genommen oder durch Implantation künstlicher Blasenschließmuskel der Funktionsverlust am Blasenverschluß kompensiert. Gemäß moderner Theorien zum Zusammenspiel der Kräfte im Beckenbodenbereich beeinflussen sich Defekte im nervalen, muskulären und bindegewebigen Anteil gegenseitig. Mit zunehmender Kommunikation und dem gewachsenen Verständnis der Sichtweisen aus Nachbardisziplinen wird ein ganzheitliches Konzept bei der Behandlung dieser komplexen Störungen erforderlich.
„Wir sind stolz darauf, nach mehreren Jahren der kollegialen Zusammenarbeit auf diesem Gebiet über vier Fachabteilungen hinweg nun für die Bemühungen ein sichtbares Prädikat erhalten zu haben“, sagt Chefarzt Dr. Seifert als Leiter des Zentrums in Gehrden. Neben der Behandlung sieht das Zentrum seine Aufgabe in der Aufklärungsarbeit unterstützt durch Selbsthilfegruppen und in der Fortbildung. So beteiligt sich das Zentrum regelmäßig seit Jahren an der Internationalen Kontinenzwoche mit Patientenveranstaltungen und bietet regelmäßig Fortbildungen für Ärztinnen und Ärzte an.