1939, drei Tage nach Ausbruch des Zweiten Weltkriegs in die Nervenklinik Langenhagen eingeliefert, Ende Oktober weiterverlegt in die Provinzial-Heil- und Pflegeanstalt Wunstorf, seit 1940 eingeschlossen im Göttinger Verwahrungshaus. Zwangssterilisiert, gemeldet für den Abtransport zur Tötung unter der NS-Diktatur, dem er unter dem Direktorat von Prof. Gottlieb Ewald wie durch ein Wunder entging. Ohne ein Gerichtsurteil bis 1963 im Göttinger Verwahrhaus eingeschlossen, 1965 in Göttingen gestorben: Das Leben des 1904 geborenen Julius Klingebiel spielte sich überwiegend hinter den Mauern der geschlossenen Psychiatrie ab und wäre längst vergessen, wenn er nicht in seiner Zelle zu einer ganz eigenen Form des künstlerischen Ausdrucks gefunden hätte. Und wenn der ehemalige Ärztliche Direktor der KRH Psychiatrie Wunstorf, Prof. Dr. Andreas Spengler, selbst begeisterter Kunstschaffender, sich nicht intensiv mit dem Werk des ehemaligen Wunstorfer Patienten auseinandergesetzt hätte.
Unter Spenglers Leitung befasste sich ein Forschungsprojekt seit 2010 intensiv mit dem Leben und Werk von Julius Klingebiel. „In diesem Forschungsprojekt haben wir die außergewöhnliche Biografie des Künstlers und sein Werk psychiatriehistorisch und kunstgeschichtlich aufgearbeitet, gestützt auf alte Fotos, Interviews mit Zeitzeugen und Archivfunde“, so Prof. Andreas Spengler. Seit 2012 steht die von Klingebiel ausgemalte Zelle im sogenannten „Festen Haus“ der Asklepios Fachklinik Göttingen unter Denkmalschutz. Sie ist allerdings für die Öffentlichkeit nicht zugänglich. Eine Rauminstallation zeigt jetzt die in den 50-Jahren entstandenen Bilder. Durch die Zellentür tritt der Besucher ein in die beeindruckende Bilderwelt des einstigen Psychiatriepatienten Julius Klingebiel.
Die Ausstellung kann vom 14. bis 30. August 2013 im Sozialzentrum des Asklepios Fachklinikums Göttingen, Rosdorfer Weg 70, täglich von 10 bis 17 Uhr besichtigt werden. Die Vernissage, an der neben Prof. Spengler und dem Direktorium der KRH Psychiatrie Wunstorf auch der Niedersächsische Ministerpräsident Stephan Weil teilnehmen wird, findet am 13. August 2013, um 18 Uhr statt.
Im Verlag Vandenhoek und Rupprecht ist darüber hinaus ein reich bebildertes Buch mit dem Titel „Die Klingebiel-Zelle. Leben und künstlerisches Schaffen eines Psychiatriepatienten“, herausgegeben von Prof. Andreas Spengler, Dr. Manfred Koller und Dr. Dirk Hesse, erschienen.