Als eine der ersten Kliniken in Norddeutschland setzt die urologische Fachklinik im KRH Klinikum Großburgwedel (Leitung: Dr. Joachim Stein) seit wenigen Monaten ein neues innovatives OP-Verfahren zur Behandlung männlicher Harninkontinenz ein. Es handelt sich um ein individuell einstellbares und jederzeit nachjustierbares Bandsystem, basierend auf Erfahrungen aus der Urogynäkologie, wo seit vielen Jahren Bänder und Schlingen zur Behandlung von Inkontinenz bei Frauen zum Therapiespektrum gehören.
Entwickelt wurde das System von dem Urologen Dr. Wilhelm Bauer (Wien, Krankenhaus „Göttlicher Heiland“, zuvor Uniklinikum Halle) und dem Unternehmen AMI aus Österreich. Dr. Bauer und weitere Fachärzte aus Süddeutschland waren am 20. November bei einem Inkontinenz-Workshop im Klinikum Großburgwedel zu Gast, um Erfahrungen mit dem neuen Verfahren auszutauschen, das seit vier Jahren bislang nur in wenigen Kliniken angeboten wird. Erstmalig in Deutschland wurde im Rahmen des Workshops die neueste Version des sogenannten „ATOMS-System“ bei einem Patienten eingesetzt.
„Das System ermöglicht ein normales Wasserlassen ohne Bedienung einer Pumpe und eignet sich für alle Grade der Harninkontinenz“, betont Jasper Koenig, Oberarzt in der Urologischen Klinik in Großburgwedel. In Studien sei die gute Wirksamkeit des Verfahrens bei geringer Komplikationsrate nachgewiesen worden, sagt Koenig, der bereits an mehreren OP-Workshops mit dem Systementwickler Dr. Bauer teilgenommen hat.
Für die operative Kontinenztherapie des Mannes stand über Jahrzehnte praktisch nur der künstliche Schließmuskel zur Verfügung. Obwohl dieses System weiterhin der „Goldstandard“ bei Belastungsinkontinenz ist (unwillkürlichen Harnverlust unter Belastungen), können sich z. B. aus der notwendigen Bedienung, Gewebeschrumpfung und Materialverschleiß Probleme ergeben. Entsprechend wurde nach Alternativen gesucht.
Bei dem „ATOMS-System“ handelt es sich um eine Schlinge mit einem auffüllbaren Wasserkissen. Das Implantat besteht aus mehreren miteinander verbundenen Einzelteilen. Das Implantat wird in minimal-invasiver Operationstechnik symmetrisch um die Harnröhre mit Fixations-Netzarmen an vier Punkten fixiert. Das mehrteilige System zeichnet sich dadurch aus, dass alle Systemkomponenten komplett hydraulisch arbeiten.
Schätzungsweise 30 bis 45 Prozent der Menschen in Deutschland ab 50 sind von Harninkontinenz betroffen, etwa acht bis zwölf Prozent davon sind Männer. Die Dunkelziffer bei Männern dürfte jedoch wesentlich höher liegen. Harninkontinenz ist nicht nur ein hygienisches, sondern auch ein soziales Problem, weil sich viele Betroffene aus dem sozialen Leben zurückziehen. Die sogenannte Belastungsinkontinenz beim Mann kann auch als Folge von Prostataoperationen oder Bestrahlung im kleinen Becken auftreten.